Die neue Freiheit

Ausbildung, Studium, die erste eigene Wohnung. Eine spannende Zeit. Im Gepäck: Die neue Freiheit. Und jede Menge Verantwortung. Denn jetzt entscheidest du über die großen und kleinen Fragen des Alltags. Das ist toll. Und gleichzeitig etwas beängstigend. Der Start ins eigene Leben ist für alle eine Herausforderung, bei der hier und da auch mal etwas schief geht. Für junge Erwachsene mit Hämophilie ist der Schritt in die Unabhängigkeit noch etwas größer. Denn in Zukunft liegt nicht nur die Organisation des Alltags bei dir. Du bestimmst auch, zu welchem Arzt du gehst, wann deine Medikamente bestellt werden müssen und wie du dich mit Faktorpräparaten versorgst. Erfahre jetzt, worauf es beim Wechsel in die Erwachsenenmedizin ankommt.

Transition – vom Kinderarzt in die Erwachsenenmedizin

Mit dem 18. Geburtstag bist du gesetzlich erwachsen. Dann hast du alle Rechte und Pflichten, die ein volljähriger Mensch in Deutschland hat. Kinderärzte haben in der Regel nur die Zulassung, Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr zu behandeln. Das bedeutet, dass du normalerweise mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter auch einen neuen Arzt finden musst. Das gilt besonders, wenn du für das Studium oder die Ausbildung den Wohnort wechselst. Dann brauchst du vor Ort einen Hausarzt und möglicherweise auch einen neuen Hämophiliespezialisten. Wenn du in einem Hämophiliezentrum betreut wirst, bei dem Kinder- und Erwachsenenmediziner zusammenarbeiten, dann wird dich sehr wahrscheinlich das gleiche Team noch eine Weile weiter betreuen. Da die Kontrolltermine nur alle drei bis sechs Monate erfolgen, ist es rein theoretisch auch bei einem Umzug in eine neue Stadt möglich, erst einmal beim bisherigen Hämophiliezentrum zu bleiben. Auf Dauer solltest du dich aber nach einem Zentrum in der Nähe deiner neuen Heimat umsehen.

Kurz erklärt

Hämophilie ist eine Blutgerinnungsstörung, die dich leider ein Leben lang begleiten wird. Daran lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nichts ändern. Aber: Wenn du von zuhause ausziehst, übernimmst du für das Krankheitsmanagement die Verantwortung. Du kannst in Zukunft selbst entscheiden, von wem du wie behandelt werden möchtest. Ob du fit bist für den Wechsel, kannst du ganz einfach mit dieser Checkliste herausfinden.

So findest du deinen neuen Arzt

Dein bisheriger Hämophiliearzt oder die Hämophilie-Assistentin kann dir bei der Suche nach einem Spezialisten in der Nähe des neuen Heimatorts behilflich sein. Am besten sprichst du deinen Arzt beim nächsten Besuch darauf an. Möglicherweise kann er auch schon Kontakt mit dem zukünftigen Behandler aufnehmen. Dann klappt die Übergabe der Unterlagen meist problemlos.

Darüber hinaus kannst du dich bei der Deutschen Hämophiliegesellschaft oder der Interessengemeinschaft Hämophiler nach Adressen umsehen.

Fragen an den Arzt

Wenn du deinen neuen Arzt kennenlernst, kannst du ihm ein paar Fragen stellen, um eine bessere Orientierung zu bekommen und herauszufinden, ob die neue Behandlungssituation für dich die passende ist. Hier einige Beispiele:

  • Sind Sie für mich zuständig oder werde ich von verschiedenen Ärzten behandelt?
  • Kann ich meinen Arzt aussuchen?
  • Sind alle Ärzte, die mich behandeln werden, Hämophiliespezialisten?
  • Wie wird die Versorgung mit Faktorpräparaten zukünftig ablaufen?
  • Wo kann ich sie bestellen und wie erfolgt die Lieferung?
  • Mit welchen Zuzahlungen muss ich rechnen? (Als Kind warst du davon befreit.)
  • Kann meine Therapie so bleiben, wie sie ist?
  • Wenn etwas verändert werden soll, warum ist das so?
  • Wie muss ich die Faktorgaben zukünftig dokumentieren?
  • Kann ich selbst entscheiden, wie ich die Faktorgaben dokumentiere (Patiententagebuch oder Smartphone)?
  • Wie sind Ihre Öffnungszeiten?
  • Wie kann ich im Notfall außerhalb der Öffnungszeiten Kontakt aufnehmen?
  • Gibt es einen Vertrag des Hämophiliezentrums mit meiner Krankenkasse, die die freie Arztwahl einschränkt?
  • Brauche ich eine Überweisung vom Hausarzt, wenn ich ins Hämophiliezentrum komme?
  • Gibt es Patientengruppen, die sich regelmäßig treffen?

Wenn du magst, kannst du für den ersten Termin im neuen Zentrum auch deine Eltern mitnehmen. Sie können dich bei der Neufindung so lange unterstützen, bis du dich sicher fühlst. Wichtig ist, dass du dich bei deinem zukünftigen Arzt gut aufgehoben fühlst. Wenn es dir schwerfällt, Vertrauen aufzubauen, kann es sinnvoll sein, noch einen Termin in einem anderen Hämophiliezentrum zu vereinbaren. Alles Wissenswerte zur Behandlung der Hämophilie erfährst du im Artikel Medikamentöse Therapie bei Hämophilie A und B.

 

    TIPP

 

    Am besten hast du immer ein Faktorpräparat und einen Notfallausweis bei dir. Dann kann dir im Ernstfall schnell geholfen werden.

 


 

Diese Unterlagen brauchst du

Wenn du in die Welt ausziehst, brauchst du von deinem bisherigen Arzt Informationen zu deinem Krankheitsverlauf. Dann haben der zukünftige Hämophiliespezialist und andere Ärzte wie Zahnärzte oder Orthopäden alle wichtigen Informationen gleich zur Hand und können dich optimal behandeln. Am besten ist es, wenn du einen aktuellen Arztbrief mitbringst, in dem folgende Informationen enthalten sind:

  • Art und Schwere der Erkrankung sowie eventuell genetischer Befund
  • Aktuelle Therapie (Substitutionskalender)
  • Falls Hemmkörper aufgetreten sind: Therapiedaten, wie sie behandelt wurden
  • Informationen über mögliche weitere Gerinnungsstörungen (zum Beispiel Thrombophilie)
  • Anzahl und Ort früherer Blutungen (gegebenenfalls Röntgen oder MRT-Bilder beilegen)
  • Informationen über mögliche weitere Erkrankungen in der Kindheit (zum Beispiel Asthma oder ADHS)
  • Angaben zu anderen Medikamenten außer Gerinnungspräraten
  • Daten zu früheren Operationen
  • Blutgruppe
  • Kontaktdaten des bisherigen Hämophiliezentrums für Rückfragen

Außerdem solltest du bei einem Arztbesuch die folgenden Dokumente dabeihaben:

  • Krankenkassenkarte
  • Notfallausweis
  • Impfpass
  • Überweisung
  • Schwerbehindertenausweis (falls vorhanden)

Weitere Tipps, wie der Übergang in die Erwachsenenmedizin gut klappt, kriegst du auch auf between-kompas.de, ein Angebot speziell für junge Leute mit chronischer Erkrankung und ihre Eltern.

Das passiert mit deiner Krankenversicherung

Generell gilt, dass man mit 18 Jahren eine eigene Krankenversicherung braucht. Aber: Wer in der Ausbildung ist, ist noch eine ganze Weile über die Eltern mitversichert. Am besten informierst du dich rechtzeitig bei deiner bisherigen Krankenversicherung, wie lange und unter welchen Bedingungen du bei deinen Eltern mitversichert bist.

Wenn du einen Auslandsaufenthalt planst, solltest du dich vor der Abreise mit deiner Krankenkasse in Verbindung setzen, um sicher zu stellen, dass dein Versicherungsschutz im Ausland und auch nach deiner Rückkehr auf jeden Fall erhalten bleibt. Die Kosten für die Medikamente zur Behandlung der Hämophilie kannst du nicht selbst tragen.

zeitfuer

Neue Freunde, neue Sicherheit

Wenn du in eine eigene Wohnung ziehst, beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Kleine und große Abenteuer, eine Ausbildung, neue Leute – all das wartet auf dich. Früher haben deine Eltern für dich gesorgt und waren der Ansprechpartner im Notfall. Wenn du in eine andere Stadt oder sogar ins Ausland ziehst, ist es wichtig, dass du deinen neuen Freunden oder einem Mitbewohner von deiner Krankheit erzählst. Auch wenn es dir vielleicht im ersten Moment schwerfällt. Ein neues Netzwerk unterstützt dich im Akutfall und kann dir bei einer Verletzung zur Seite stehen. Lass eine Person deines Vertrauens wissen, wo du dein Faktorpräparat und deinen Notfallausweis aufbewahrst, und gib ihr einen Zettel mit den Telefonnummern von deinem behandelnden Arzt und deinen Eltern. Wer das sein könnte, entscheidest du selbst.

So schmeckt es auch in Zukunft

Neben der Wohnungssuche, dem Ausbildungsbeginn und vielleicht sogar dem Einfinden in eine neue Stadt musst du ab sofort auch das tägliche Leben selbst organisieren. Wäschewaschen, Einkaufen und Kochen gehören dazu. Wie du ohne großen Aufwand eine leckere und gesunde Ernährung in den Alltag einbaust, erfährst du im Artikel 12 Tipps für eine gesunde Ernährung. Und wie du dich vor einer Prüfung schlau essen kannst, liest du im Artikel Brainfood – Power für den Kopf.


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