Bin ich von Hämophilie betroffen? Die Krankheitsvorgeschichte gibt erste Hinweise

Wenn du wegen allzu häufig auftretender blauer Flecken oder Blutungen Verdacht schöpfst, von Hämophilie betroffen zu sein, wirst du früher oder später einen Arzt aufsuchen. Dann solltest du möglichst genaue Angaben zur eigenen Krankheitsvorgeschichte und zu Fällen in der Familie machen (Eigen- und Familienanamnese). Auch aus Informationen zu früheren Blutungsereignissen lassen sich wichtige Schlüsse für eine Diagnose ziehen. Eine Hämophilie A oder B wird häufig diagnostiziert, wenn die Erkrankung bereits bekannt ist. Bei Kindern kann dann gezielt danach gesucht werden.

Natürlich ist Hämophile keine Diagnose, die man sich wünscht. Hämophilie kann – je nach Schweregrad – eine ernste Sache sein. Dennoch bringt es gerade für Eltern auch Erleichterung, wenn sie Klarheit über Blutungen oder blaue Flecken ihrer Kinder bekommen. Wenn ein betroffenes Kind durch Symptome auffällt, wird die Hämophilie oft auch bei weiteren Familienmitgliedern diagnostiziert, die bis dahin nichts von ihrer Erkrankung wussten, da sie keine oder nur geringe Symptome zeigten.

Welche Untersuchungen werden gemacht?

Gerinnungsanalyse

Die Faktoren VIII und IX sind beide für eine funktionierende Blutgerinnung wichtig, daher sind die Symptome und Krankheitsfolgen bei Hämophilie A und B auch praktisch identisch. Da die Hämophilie auf einem Mangel oder dem Fehlen der Blutgerinnungsfaktoren VIII (8) oder IX (9) beruht, wird zunächst mit einer Blutuntersuchung der Gehalt dieser aktiven Faktoren bestimmt. Die Kenntnis der jeweils vorliegenden Variante ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

Die Diagnose wird erhärtet, wenn eine verminderte Aktivität von Faktor VIII oder IX nachgewiesen werden kann. Wenn die Erkrankung in der Familie bekannt ist, kann die Bestimmung der FVIII bzw. FIX-Aktivität bereits aus Nabelschnurblut direkt nach der Entbindung erfolgen. Bei einer Verminderung des FVIII muss auch das sogenannte von-Willebrand-Syndrom ausgeschlossen werden, da auch in diesem Fall der FVIII vermindert sein kann.

Zusätzliche Labortests

Um die Diagnose weiter abzuklären, werden neben der Gerinnungsanalyse zusätzliche Untersuchungen in einem spezialisierten Hämophiliezentrum durchgeführt. Ein typisches Anzeichen für Hämophilie A und B ist beispielsweise die sogenannte verlängerte aktivierte partielle Thromboplastinzeit, kurz aPTT.

Mutationsanalyse

Zur Diagnostik gehört auch eine Mutationsanalyse. Genetische Untersuchungen können insbesondere bei der Hämophilie A einen Hinweis auf das Hemmkörperrisiko geben. Die Mutationsanalyse wird auch benötigt, um zweifelsfrei zu klären, ob die Mutter oder Schwestern eines Jungen mit Hämophilie Überträgerinnen (Konduktorinnen) sind.

Schweregrade

Die Aktivität der Gerinnungsfaktoren bestimmt die Schwere der Symptome: Je weniger aktiver Gerinnungsfaktor vom Körper hergestellt werden kann, desto ausgeprägter sind die Krankheitszeichen einer angeborenen Hämophilie. Der Schweregrad wird als prozentuale Abweichung zur normalen Aktivität der Gerinnungsfaktoren VIII bzw. IX angegeben:

Leichtere Formen können lange unentdeckt bleiben und werden häufig erst im späteren Verlauf des Lebens diagnostiziert, etwa nach chirurgischen Eingriffen oder wenn ein Zahn gezogen wurde und es länger als normal blutet. Auch Nasenbluten und Nachbluten beim Rasieren oder nach Schnittverletzungen können auf eine Hämophilie hinweisen. Bei Kindern mit leichter bis mittelschwerer Hämophilie zeigen sich die ersten Symptome oft zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr.

Eine leichte Form heißt jedoch nicht, dass der Krankheitsverlauf leicht ist. Blutungen können unbehandelt auch bei leichten Verletzungen oder Operationen problematisch sein.

Schwerere Formen der Erkrankung werden während der ersten Lebensjahre erkannt, wenn blaue Flecken auftreten, Blutungen aus Mund- oder Nasenschleimhaut oder Einblutungen in Gelenke und Muskulatur entdeckt werden, wenn das Kind zu krabbeln und zu laufen beginnt. Selten kommt es auch vor, dass Hämophilie bei Geburt eines Kindes aufgrund von Blutungen nach Anwendung einer Saugglocke oder Skalpelektrode während der Entbindung bemerkt wird. Neugeborene mit schwerer Hämophilie können bereits ab der Geburt Blutergüsse und Blutungen erleiden.

Blutungen rechtzeitig erkennen

Blutungen sind manchmal nicht so leicht als solche zu erkennen, zumal sie auch innerlich im Körper auftreten können. Dazu kommt: Betroffene Kinder können sich oft noch nicht ausdrücken und beschreiben, wie sie sich fühlen. Anzeichen und Symptome einer Blutung treten in Gelenken und in Muskeln auf.

Je schwerer die Hämophilie, desto häufiger solltest du ärztliche Kontrolltermine wahrnehmen – bei schwerer Hämophilie mindestens zweimal jährlich, bei mittelschwerer und leichter Hämophilie einmal pro Jahr.

Anzeichen und Symptome von Blutungen in Gelenke

  • Stechendes Gefühl im Gelenk
  • Widerwille gegen Gelenkbewegungen
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Schwellung
  • Schmerzen (mit zunehmender Intensität, wenn die Blutung nicht behandelt wird)
  • Warme Haut über dem Gelenk
  • Bewegungseinschränkungen in einem bisher gut funktionierenden Gelenk
Anzeichen und Symptome von Blutungen in Muskeln
  • Muskelschmerzen
  • Schwäche in Armen oder Beinen
  • Hinken
  • Widerwille gegen Verwendung des betroffenen Körperteils; z. B. kann die Ferse beim Stehen oder Gehen nicht aufgesetzt werden
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Schwellung
  • Warme Haut an der Blutungsstelle
  • Heftige oder plötzliche Schmerzen (Anzeichen für Druck auf Nerven)
  • Taubheit oder Stechen

Übertragung bei Frauen

Bei Frauen tritt Hämophilie selten auf, sie sind oft nur Überträgerinnen (Konduktorinnen) der Krankheit, können die Krankheit also auf ihre Kinder weitergeben, ohne selbst Symptome zu zeigen. Es ist daher durchaus möglich, dass Hämophilie seit Generationen in einer Familie vererbt wird und so lange unbemerkt bleibt, bis ein Sohn geboren wird, der ein defektes X-Chromosom von seiner Mutter geerbt hat. Oft ist bereits bekannt, wenn eine Frau Konduktorin ist, sodass die Diagnose für ihre Kinder schon bei der Entbindung gestellt werden kann.

Wenn du als Konduktorin den Defekt mit deinem intakten X-Chromosom nicht ausgleichen kann, wirst du eine Neigung zu verstärkten Blutungen bei Verletzungen, Operationen und während der Menstruation zeigen. Um ernste Komplikationen zu vermeiden, solltest du frühzeitig Tests durchführen lassen. Die Konzentration der Gerinnungsfaktoren im Blut variiert oft stark, daher reicht eine Aktivitätsbestimmung allein noch nicht aus, um als Konduktorin identifiziert zu werden. Der Familienstammbaum und genetische Tests helfen weiter. Ein Hämophiliezentrum kann dich beraten und über Konduktorinnen-Tests aufklären.

Mehr über Konduktorinnen erfährst du in den Artikeln

Kurz und knapp

  • Eigen- und Familienanamnese spielen bei der Erkennung der angeborenen Hämophilie eine wichtige Rolle.
  • Über Gerinnungsanalyse, Mutationsanalyse und weitere Labortests wird die Diagnose gestellt und bestätigt.
  • Typisch für Hämophilie A und B ist eine verlängerte aktivierte partielle Thromboplastinzeit.
  • Je weniger aktiver Gerinnungsfaktor vom Körper hergestellt werden kann, desto ausgeprägter sind die Krankheitszeichen einer angeborenen Hämophilie.

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