Blut – das flüssige Organ

Unser Blut können wir zurecht als „flüssiges Gewebe“ oder „flüssiges Organ“ bezeichnen: Blut versorgt alle Zellen unseres Körpers mit Sauerstoff und lebenswichtigen Nährstoffen. Damit schafft es die Voraussetzungen dafür, dass unsere Zellen überhaupt Energie bereitstellen können und unser Körper funktioniert.

Im Blut befinden sich zelluläre Bestandteile und das sogenannte Blutplasma, das im Herz-Kreislauf-System als Träger dieser Zellen dient. Plasma enthält Proteine, Salze und weitere kleine Bestandteile wie Zucker.

Das Blut fließt durch die Adern und erreicht so alle Gelenke, Muskeln, Organe und Gewebe. Unser Körper enthält drei verschiedene Arten von Blutgefäßen:

  • Arterien: Gefäße, die vom Herzen wegführen und das „frische“ Blut transportieren
  • Venen: Gefäße, die zum Herzen zurückführen und das „verbrauchte“ Blut transportieren
  • Kapillaren: Sie sind dafür verantwortlich, Blut von den Arterien zu den Zellen und von dort weiter in die Venen zu befördern.

Im Durchschnitt haben wir ca. 70 bis 80 Milliliter Blut pro Kilogramm Körpergewicht, insgesamt etwa 5 bis 6 Liter.

Blutgerinnung verstehen

Das Blut selbst ist maßgeblich daran beteiligt, dass Wunden verschlossen werden. Es gerinnt. Das Blutgerinnsel ist dann in der Lage, eine Blutungsstelle schnell zu „verstopfen“. So kann kein weiteres Blut austreten, bis die Wunde vollständig verheilt ist.

Wenn man wegen einer Verletzung oder aus anderen Gründen zu bluten beginnt, läuft die Blutgerinnung in einer Kaskade ab, an der Blutplättchen (Thrombozyten) und verschiedenen Eiweiße, die sogenannten Gerinnungsfaktoren, beteiligt sind. Sie werden mit römischen Ziffern von I bis XIII durchnummeriert und liegen in einer inaktiven Form immer im Blut vor.

Was läuft bei funktionierender Blutgerinnung ab?

Bei gesunden Menschen verläuft Blutgerinnung nach einer Verletzung so:

1.

Das Blutgefäß zieht sich an der verletzten Stelle zusammen und verringert dadurch den Blutfluss durch diese Stelle.

2.
Kleine Zellen, die Thrombozyten, lagern sich zusammen und decken die Verletzungsstelle mit dem sogenannten Thrombozyten-Pfropf ab.

3.
Gerinnungsfaktoren setzen eine Kettenreaktion (medizinisch „Gerinnungskaskade“) in Gang, durch die nacheinander alle Faktoren aktiviert werden wie bei einer Reihe Dominosteine, bei der immer der nächste Stein durch den vorherigen umgestoßen wird. Der erste Faktor in der Reihe wird durch die Wunde selbst aktiviert, der zweite Faktor wird durch die aktivierte Form des ersten aktiviert, usw. Die Gerinnungskaskade bewirkt, dass das Blut an der verletzten Stelle gerinnt und die Blutung zum Stillstand kommt. Es bildet sich ein starkes und stabiles Netz von Fibrinfasern, einer Art körpereigenem Klebstoff. Die Fibrinfasern führen zusammen mit dem Thrombozyten-Pfropf zum Verschluss der Verletzung.

Gerinnungskaskade

Die Baupläne für die Gerinnungsfaktoren werden durch unsere Gene definiert. Bei der angeborenen Hämophilie ist eines dieser Gene defekt und liefert einen fehlerhaften Bauplan. Dadurch ist der Körper nicht in der Lage, diesen Gerinnungsfaktor zu bilden. Bei der Hämophilie A ist es der Gerinnungsfaktor VIII (8), bei Hämophilie B der Faktor IX (9). In beiden Fällen wird dadurch die Gerinnungskaskade unterbrochen, als würde man einen Dominostein aus einer Kette entfernen.

Da man weiß, welcher Stoff fehlt, kann man ihn von außen zuführen. So funktioniert die Therapie bei Hämophilie: Die fehlenden Gerinnungsfaktoren werden ersetzt. Die Ersatzstoffe (Gerinnungsfaktorkonzentrate) werden aus Blutplasma gewonnen oder rekombinant (biotechnologisch) hergestellt und direkt in die Vene gespritzt.

Damit ist die Dominostein-Reihe wieder vollständig, und das Blut gerinnt im Bedarfsfall ganz normal.

Und wie verläuft die Blutgerinnung bei Hämophilie?

Auch bei Hämophilie-Patienten zieht sich das Blutgefäß an der verletzten Stelle zunächst zusammen und verringert dort den Blutfluss. Die Gerinnungsfaktoren (Faktor VIII oder Faktor IX), die bei funktionierender Blutgerinnung zur Bildung des Fibrinfasernetzes führen, um die Wunde stabil zu verschließen, sind bei Hämophilie jedoch nicht in ausreichender Menge vorhanden. Dadurch wird die Gerinnungskaskade unterbrochen. Das Blut gerinnt nicht hinreichend. Bereits verschlossen geglaubte Wunden können auch ein bis zwei Stunden nach dem Blutungsereignis wieder anfangen zu bluten.

Hämophilie führt übrigens nicht dazu, dass man prinzipiell schneller blutet. Es dauert bloß länger, bis das But nach einer Verletzung gerinnt. Wenn du Hämophilie hast, blutest du also nicht schneller, aber länger.
 


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